Montag, 14. Juli 2014

Das wir Gefühl

Der Hamburg Triathlon, aufgrund seines ehemaligen Hauptsponsors auch Traubenzucker Triathlon genannt, stand also an.

"Der weltgrößte Triathlon" behauptet er zu sein, was angesichts der möglichen Größen von Feldern in einem Triathlon nun nicht wirklich eine Kunst ist. Groß muss nicht immer großartig bedeuten, wie man z.B. beim Berlin Marathon sehen kann. Die Gefahr einer seelenlosen Massenveranstaltung ist immer gegeben.

Letztens warf der gute Tim aus Kiel die berechtigte Frage nach Wachstum und Modeerscheinung Triathlon auf. Die Frage ist einfach, wann Masse Klasse ersetzt. Natürlich möchte man als early adopter, wie der gute Tim einer ist gerne eine gewisse Exklusivität behalten. Kann ich gut nachvollziehen. Und wenn ein windschattenfreies Rennen aufgrund der Starterzahl einfach nur noch auf dem Papier stattfinden kann, dann ist das gesunde Wachstum definitiv überschritten.

Wo genau die berühmte gesunde Mitte erreicht ist, kann ich ehrlich gesagt nicht beantworten. Schön wären vielleicht neue, spannende mit Herz organisierte Rennen. Das wäre ein Wachstum, welches ich gut finden würde. Weniger gut ist die Erweiterung von Starterfeldern bis zum Erbrechen auf den immer gleichen Strecken.

Aber da sind wir gleich beim nächsten Problem. Attraktivität bedeutet auch immer, dass ich eine Radstrecke von entsprechender Länge bastel. Denn seien wir ehrlich: 90 Kilometer auf einer 10 Kilometerrunde zu fahren ist eher nicht so doll. Und da kommen wir immer zu dem Belastungsproblem. Gerüchteweise leben dort, wo wir unseren Sport treiben Menschen und die können sich teilweise auch andere Dinge vorstellen, als eine gesperrte Straße. Hier einen - gerechten - Ausgleich von Vorteilen und Nachteilen hin zu bekommen, ist gar nicht so einfach.

Und er wird dann nicht einfacher, wenn solche Spinner wie "Einzelhandelsverbände" ihren unqualifizierten Mist absondern und im Hamburger Abendblatt was von der Belastung des Einzelhandels durch die samstägliche Sperrung faseln. Derselbe Einzelhandel, der am Donnerstag und Freitag von den auswärtigen Teilnehmern des Triathlons belagert wurde, wenn ich mal meine subjektive Zählung von Triathlon Beuteln und Einkaufsbeuteln innenstädtischer Geschäfte an einer Person als Maßstab nehme.

Es ist sowieso bemerkenswert, dass das Hamburger Abendblatt die Story von "zuvielen Veranstaltungen in der Innenstadt" immer dann bringt, wenn Triathlon ist. Und für die Hamburger Innenstadt (sehr wenig Anwohner) anscheinend andere Maßstäbe gelten, als für St. Pauli (sehr viele Anwohner), wo Menschen sich Böllereien nach Fußballspielen und Pissen mit Blumenkette gefallen lassen müssen.

So genug gemotzt.

Der Vorteil eines Heimrennens ist, dass man mit Rad und Bahn zum Start fahren kann. Eigentlich wollte ich ganz mit dem Rad fahren, aber da ich nicht schon vor dem Start auf dem Rad nass werden wollte und die Wolke doch sehr dunkel war, wurde es eine 50/50 Kombination.

Meiner Form war ich nun so gar nicht sicher. Training? Wird ja traditionell vollkommen überbewertet. Aber wenn man schwimmen soll, dann bringt Training halt auch Sicherheit.

Nun gut. Beim Rad Check In das Schwesterherz getroffen und ihr erstmal Mut zugesprochen. Formulieren wir es mal so: Die Familie hat andere Stärken als schwimmen.

Aber die Sorge ist schnell verflogen, wenn man den ganzen FCSP Haufen so nach und nach trifft. Erstmal strahlt einen K. an, die als Helferin zwei Tage auf den Beinen ist und deren Einsatz man stellvertretend für alle Helfer nicht laut genug loben kann. Alle Helfer freundlich, zuvorkommend und noch anfeuernd, wenn dafür die Möglichkeit bestand. Und ich möchte nicht gut 5 Stunden lang im Regen die Radstrecke sichern und durchgängig per Handzeichen auf eine gefährliche Kurve aufmerksam machen.

Danke liebe Helfer! Ohne euch wäre so eine Veranstaltun nichts und ihr werdet immer zu wenig gewürdigt.

An dieser Stelle mal ein großes Herz an die Veranstalter des Wutzrock, dort war ich am Samstag und was dort von Helfern und zwar nur von Helfern auf die Beine gestellt wird, das ist einfach wundervoll.

Wir hatten als Abteilung die meisten Räder an einen Platz gestellt. So konnte man sich fröhlich unterhalten. T. erzählte seine Geschichten von den Bieler Lauftagen, S. erzählte noch mal, wie er als böser Bube disqualifiziert wurde und wir alle hatten was zu lachen.

"Wir" so ein großes Wort. "Wir sind Weltmeister" wird man wohl heute und in den nächsten Tagen häufiger hören. Und der @kaffchris merkte nicht ganz zu Unrecht auf Twitter an, dass wir auch immer ein ihr enthaltet. Und gerne auch mal ein "wir sind besser als ihr". Und damit der Beginn des menschlichen Ausgrenzungsmechanismus. Dem muss man sich bewusst sein. Auch wenn einem in dem "wir" gerade das Herz aufgeht.

"Wir sind St. Pauli" stimmte unser geliebter Elmo an. Und es stimmt. Wir sind St. Pauli Triathlon. Ein Haufen von unterschiedlichsten Leuten, den die Liebe zum Sport und Verein zu einem "wir" zusammengeschweisst hat. Auch mehr oder minder zufällig. Das Video unserer Gesangseinlage würde jetzt wahrscheinlich diese Seite sprengen, aber stellt es euch einfach vor, wie wir laut und falsch vor dem Schwimmstart singen.

A. aus Schottland war da und wenn sie denn so fragt, was "mein Hase"  (= ich) so schwimmen will, dann weiß man, dass man nicht der Einzige ist, der nicht so wirklich gut beim schwimmen ist.

Mein Neo wird wahrscheinlich diese Alster nicht mehr sehen, denn auch diesmal war die Alster brühwarm. Immerhin: Der Geschmack war besser als letztes Jahr und so ging es nach einem kurzen Einschwimmen ab auf die wilde Hatz. Für die meisten. Ich eher gemütlich hinterher. Einen anderen Teilnehmer hatte ich schnell überholt, der Rest noch in Sichtweite. Das lief doch ganz ordentlich.

Ich hatte schnell mein Gefühl gefunden, die Nervösität war verflogen und ich konnte Meter um Meter machen. Langsam aber gleichmäßig. Irgendwann war der zweite und dritte Teilnehmer meiner Gruppe überholt und siehe da, da war doch T. der einen schönen Stil krauelt. Dies aber eben langsam. So wurde es bis zum Schwimmausstieg ein vereinsinterner Showkampf, der aber knapp von T. gewonnen wurde.

43:48 stand am Ende beim Schwimmsplit. Damit war ich etwas langsamer als in Ingolstadt (genau genommen 16 Sekunden), aber da man nie genau weiß, wo genau gemessen wird, nehmen wir das mal als "gleichschnell" zu den Akten.

Nach dem Schwimmen noch ohne Bierdurst


Es wartete die ellenlange Hamburger Wechselzone. Und ja, da kann ich mich definitiv noch verbessern. Socken anziehen dauert zu lange, alles andere dauert zu lange, das laufen erst barfuss, dann in Radschuhen nervt etc. pp. Kurz: In unterirdischen 7:12 hatte ich auch diesen Part hinter mich gebracht.

40 Kilometer in zwei Runden waren nun zu fahren. Vorbei an vielen schönen Stellen der Hansestadt Hamburg. Leider begann es immer mehr zu regnen und so regierte in jeder Kurve bei mir die Vorsicht. Lieber eine Minute langsamer sein, als hübsche Schürfwunden nachzubehalten.

Vollkommen überflüssig ist und bleibt der Schlenker über die Reeperbahn. Sorry, nur damit jeder Teilnehmer mal lernt, wie übel nach Pisse die Reeperbahn am Sonntag morgen riecht? Hübsch ist das nicht und notwendig ist diese Runde auch nicht. Ansonsten ist die Speicherstadt, Altona, Teufelsbrück Kulisse für den Radsplit. Das ist hübsch.

Erste Runde war bei mir doch relativ zäh. Meine Beine schwer und wieder die Feststellung, dass ich mit meinem Bruststil zu viel Kraft beim Schwimmen verliere. Da muss dann doch irgendwann mal die Technikumstellung gelingen.

Auffällig: Sehr viele Pannen am Straßenrand und beinah alle bei irgendwelchen hochgezüchteten Zeitfahrmaschinen. Ich bin nun kein Profi, aber kann dieses Material ggf. nasse, sandige Straßen nicht wirklich ab? Riesigen Respekt an alle Unglücklichen: Sie flickten und fuhren weiter. Auch das ist Triathlon.

Ich hatte nun langsam mein Tempo gefunden und mein Tempo war auch jenseits der 30 km/h das rollte gut und so erhoffte ich mir einen guten Radsplit. War er am Ende mit 1:22:16 auch. Die Zeit auf meinen Traum von 1:20 hatte ich zu Beginn verloren. Und siehe da, der vereinsinterne Battle mit T. ging in eine neue Runde, hatte ich ihn doch am Ende der Radstrecke wieder eingeholt.

Da hätte ich schon zwei genommen...


Das mit dem Wechsel üben wir noch mal. Z.B. wäre es ja hilfreich keine Schleifen in den Schuhbändern zu haben. Oder die Sonnencreme aus den Schuhen zu nehmen und nicht erst zu 2/3 in den Schuh zu schlüpfen, bevor man das merkt. Da ist noch Optimierungsbedarf.

Die Beine etwas schwer, die Problemwade so ein bisschen am zwicken. Ich war nicht so richtig sicher, was ich auf der Laufstrecke so zustande bringen konnte.

Die Support- und Fotocrew (danke, danke, danke) munterte einen wieder auf und so begann der Lauf.

Die Strecke an der Außenalster ist dem Hamburger von unzähligen Trainingsläufen bekannt. Sie gehört wohl auch zu den schönsten Laufrevieren, die man innerstädtisch so basteln kann. Insofern: Hier hat man was zu gucken.

Ich lief irgendwo ein Tempo knapp über 6 Minuten. Forcieren oder hier "Bestzeit oder Tod" zu spielen war irgendwie nicht drin. Die Problemwade mochte dieses Tempo so gerade eben und eine Bestzeit ist aufgrund der langen Wechselzonen in HH sowieso nicht wirklich möglich. Die entgegenkommenden (Wendepunktstrecke) Vereinskameraden wurden wahlweise angefeuert oder mit einem "Stell Bier kalt" in Richtung Ziel geschickt. Der J. konnte sich ein "Nobs, du geile Sau" nicht verkneifen und musste sich seinerseits ein "Na J. spürst du schon meinen kalten Atem im Nacken?" gefallen lassen. Der Getränkestand an dem dieser Dialog stattfand, hatte seinen Spaß.

Die ersten 5 noch in 5:54 erledigt, konnte ich die zweiten 5 in diesem Tempo nicht mehr ganz halten. Hier musste letztendlich eine 6:14 Pace reichen. Insgesamt 1:00:30 für die Laufeinlage, das ist im Triathlon doch ganz ordentlich.

Da schon drei (alle Bilder unter Copyright, danke D. fürs knipsen und zur Verfügung stellen.)


Im Ziel wartete dann die gesamte Meute (boa, da wird man ja rot vor soviel Aufmerksamkeit) und gemeinsam konnten wir einen schönen Tag feiern. Von 3910 (oder 2000 + 1910) Startern war ich nach dem Schwimmen 2540ster und im Ziel dann 2454ster. Man sieht schon, wo meine äh Stärken liegen.

Weil auch die Frau @eiswuerfelimsch fragte: Ja, der Wettkampf lohnt sich. Mehr Sehenswürdigkeiten kann man in HH nicht erlaufen und die Stimmung an der Strecke ist gut. Man hat immer wieder Publikum und der Zieleinlauf hat schon was. Ist ein Gänsehautmoment. Veranstaltung hat vielleicht nicht das Herz eines Kraichgau Triathlons, aber die Mischung zwischen Herz und Professionalität stimmt hier.

Man muss sich nebenbei nicht ein Jahr vorher anmelden. Für dieses Jahr gab es bis ins Frühjahr hinein Plätze. Und sonst gibt es auch eine gut organisierte Tauschbörse.

Ich bin nächstes Jahr auch wieder da.

Und so kommen wir zu einem Fazit: Das "wir" gewinnt. Mit all seinen Vereinskollegen zu starten und gemeinsam so einen Wettbewerb zu bestreiten ist auch in der sehr individualistischen Triathlonwelt etwas schönes.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen