Montag, 16. Juni 2014

Punktlandung / Challenge Kraichgau Rennbericht

Raceday! Nach einer kurzen Nacht mit aber immerhin ganz ordentlichen Schlaf war also der Tag der Tage gekommen.


Wenn man bedenkt, dass mein Trainingsplan am 10.02. begann, dann kann man sich vorstellen, wie lange die Vorbereitung auf diesen einen Tag war.


Guten Morgen Kraichgau. Viel zu früh am Start gewesen, aber so immerhin einen sehr schönen Parkplatz gefunden. Fahne befestigt und langsam immer mehr braun-weiße eingesammelt. Neben uns stand Kim, die nicht nur in ihrem Auto übernachtet hatte (!!!) sondern auch noch später mit Erdbeeren glänzte. Und sich die Zähne vor dem Wettkampf putzte. Immerhin schmeckt man so das Wasser besser.


Ab zur Wechselzone, die etwas verspätet auf machte, aber seien wir ehrlich: Kein Grund zu meckern. Vor mir in der Schlange auch schon Herr Kienle, der anscheinend auch nervös genug ist, um einer der Ersten bei der Wechselzone zu sein.


Das Rad hatte die Nacht perfekt überstanden, meine Standpumpe war sehr beliebt und so war alles vorbereitet. Lustig: Ich fahre ein eher seltenes Rad, aber in der Wechselzone stand genau mein Rad noch mal. Einziger Unterschied: Ein Triathlonaufsatz.


Dixie und dann in den Neo zwängen. Ihr lest richtig: Neo! Angeblich war der See auf 21,7 Grad abgekühlt. Wo die das gemessen haben, weiß ich nicht, aber nun gut, wenn sie meinen. Oder hat jemand in der Nacht doch die Laster mit Eiswürfeln gesehen, die in den See gekippt wurden?


Wundert euch also nicht, wenn viele Leute tolle Schwimmzeiten hingelegt haben. Bessere Bedingungen findet man wahrscheinlich nicht mehr.


Noch kurz ein Gruppenfoto und dann ging es auch schon in den Schwimmbereich. Kurzes Einschwimmen und dann hört man schon Herzschlag aus den Boxen und dann Hells Bells und dann einen ohrenbetäubenden Schuss. Beim Einschwimmen hatte ich noch eine Hand voll auf die Brille bekommen (es wurde sich sofort entschuldigt, mein "ist doch einschwimmen unter Rennbedingungen" wurde mit einem lachen quittiert), so dass ich die noch mal richten musste und dann ging es los.

Ich hatte nebenbei die Gruppe erwischt in der auch alle (!!) startenden Frauen auf die Reise geschickt wurden. Und nein, ich war nicht der einzige Mann, die Damen aber wirklich in der Überzahl in meiner Gruppe. 


Fassen wir es kurz zusammen: Ich plätscherte relativ schnell alleine so vor mich hin, lies die schnellen Schwimmer (sprich alle anderen) schnelle Schwimmer sein und machte mein Tempo. Das lief für 25 Minuten auch richtig gut. Danach kam die nächste Startwelle und das war doch etwas haarig. Ich wollte ja alle vorbei lassen, aber so weit außen kann man gar nicht schwimmen, dass man doch nicht irgendwem im Weg ist. Aber alle sehr fair, sehr vorsichtig, sehr gut beim Überholen. So vielleicht mal eine Hand irgendwo ans Bein bekommen, eine auch an den Fuß, was doof war, weil ich dadurch ein bisschen krampfte, aber das war alles super fair.

Ich verlor trotzdem ein paar Meter und Minuten, aber es war alles im Plan.


Wenn man so langsam ist und eine Supportcrew nervös auf einen wartet, dann wird irgendwann auch der Moderator darauf aufmerksam und so wurde ich dann an Land auch noch von allen Zuschauern (und das sind einige) bejubelt. Aber hey: Biete ihnen eine Show, wenn du schon auf der großen Bühne stehst. Das ich beim Laufen aus dem Wasser einen Krampf bekam, war da zwar nicht geplant, aber der war auch ganz schnell wieder weg und dann konnte man ins Publikum lächeln und winken.


Schwimmen in 58:27 erledigt. Nicht ganz im Plan, aber doch gut in der Zeit. Hier und da noch ein bisschen gerader schwimmen, dann schaffe ich auch meine 57 Minuten und irgendwann auch noch schneller.


Der erste Wechsel ging gut und schnell von der Hand, ganz viele tolle Helfer waren auch hier zur Stelle und inklusive kleinen Dixielandausflug war ich nach 5:28 ein Radfahrer.


Der Plan war nun die ersten 12 flachen Kilometer locker zu rollen, dabei um die 30 km/h zu fahren und die Muskeln für die Tortur danach aufzuwärmen. Hätte auch alles toll geklappt, wenn nicht zwei Faktoren gewesen wären.


  1. es war derbe windig. Das ist für den Norddeutschen nun nicht ganz so schlimm, aber trotzdem kraftraubend.
  2. Irgendwie lief mein Rad so gar nicht.


Und dieser Punkt 2 war für das gesamte folgende Rennen ein Problem. Ich trat viel zu doll und kam nicht vom Fleck. Anstatt der gewünschten 30 km/h war ich plötzlich flach mit 22 km/h unterwegs. Erster Gedanke: Wind. Aber nein, ich war vor ein paar Tagen bei viel stärkerem Wind lockere 28 km/h gegen den Wind gefahren. Zweiter Gedanke: Platter Reifen. Ne, sah alles gut aus. Die erste klitzekleine Welle reduzierte mich auf 14 km/h und ich trat voll in die Pedale. Es konnte also nix stimmen. Und viel zu lange grübelte ich im fahren darüber, was dies nun hätte sein können, anstatt gleich kurz anzuhalten.


Dann hielt ich an und stellte fest, dass die vordere Bremse am Reifen klebte. Klar, dass man dann nicht voran kommt. Also Werkzeug raus, kurz das Vieh feststellen und weg vom Reifen und weiter geht es.


Aber da hatte ich schon viel Kraft und auch einfach Nerven gelassen. Man nimmt sich was vor, es klappt gar nicht und man verkrampft einfach. Und erst kurz vor dem ersten echten Berg sieht man das Problem.


Nun denn, immer weiter. Ersten Berg hinauf. Und wenn ein Problem gelöst ist, dann kommt sofort ein neues. Kopfweh. Und zwar ziemlich doll. Und als die weg waren, meckerte mein Rücken. So konnte ich nicht mehr runter, was bei Gegenwind auch Zeit und Kraft kostet.


Ab diesem Zeitpunkt (ungefähr km 20 der Radstrecke) war ich mir eigentlich sicher: Das Ding fahre ich heute nicht zu Ende. Und meinen Plan kann ich mir sonst wo hin stecken. Aber erstmal weiter, immer weiter.


Kommen wir zum Drumherum: Aufgrund unserer doch auffälligen Wettkampfkleidung ganz viele Anfeuerungen. Von „Komm Pauli“ über „Auf geht’s St. Pauli, ich bin nebenbei Schalkefan“ war alles dabei. Aber das sich der Aufwand von Stefan und Andi gelohnt hat, weiß man, wenn ein kleiner Junge zu seiner Mutter sagt „Mama so ein Shirt will ich auch“. Ich hoffe nur, dass sie jetzt nicht im offiziellen Shop danach sucht.


Irgendwann flog Eno an mir vorbei und brüllte nur ein „Nobs du geile Sau“ und klatschte mir auf den Hintern. Die Leute neben uns haben schon komisch geguckt. Aber so etwas motiviert.


Das Publikum auf der Radstrecke war der Wahnsinn. In jedem Dorf Menschen, an den Hotspots richtig viele Leute und bei der 13 % Steigung in einem Dorf ein richtiger Mob. Während die mich in jedem Training getötet hatte, war die diesmal ganz leicht, wurde man doch vom Publikum da hoch getragen.


KM 60 stand dann die Supportcrew und es folgten noch 30 km Qual. Die Energie war alle, mein Rücken nervte und es standen noch drei Berge vor einem. Kurze Pause, kurz mal den Rücken gestreckt und gedehnt und plötzlich war die Energie wieder da. Vor der Pause tat jede Pedalumdrehung im Rücken weh, jetzt ging es wieder und so konnte ich den Berg nach Tiefental, den Berg hinter Tiefental und den Schindelberg gut erklimmen. Letzteren flog ich förmlich hoch. So schnell war ich da bisher nie.Irgendwie war da auch langsam eine "Fuck it" Stimmung in mir. Einfach reinhauen und gucken was geht.


Danach galt es wieder Gas zu geben. Ich holte das Letzte aus mir heraus. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich ehrlich gesagt nicht vor den Halbmarathon wirklich noch zu bestreiten.


Durch mein Malheur zu Beginn habe ich auf der ganzen Radstrecke nebenbei nur zwei Leute überholt. Beide aus meiner Startgruppe und beide sind noch weit nach mir ins Ziel gekommen. Darunter einer der drei Vertreter der Altersgruppe Männer über 70. Chapeau. Wer mit über 70 Jahren noch so ein Brett abliefert, der ist mein Held. Egal wann er ins Ziel kommt.


Meine Radeinlage endete nach 3:58:37. Das war schneller geplant, aber egal.


Wechsel auf die Laufschuhe, schnell vollzogen, wieder Dixieland und rauf auf die Laufstrecke. Wechsel in 4:10


Ich war von einem absolut harten 8 Stunden Limit ausgegangen, so dass ich ab hier nur noch rechnete, wie viel Zeit ich habe um dies zu unterbieten. Gut 3 Stunden? Locker! Dachte ich. So begann ich wie ich es gelernt hatte. Einfach locker laufen. 7:17 für den ersten Kilometer. Locker laufen. Es ging nicht mehr. Der Akku war leer. Ich konnte einfach nicht mehr.


Muskeln fühlten sich gut an, Bauch war ein bisschen am Grummeln, aber nicht schlimm, aber es ging nicht mehr. Gehpause. Gel rein, Wasser, Cola (war nebenbei ein Spezi eines örtlichen Anbieters). Mal wieder ein bisschen laufen, gehen laufen, gehen...


Irgendwie war mir klar: Das packst du heute nicht. Immerhin ein so ein Haarband wollte ich noch haben. Das ist so Triathlon, dass man mit bunten Haarbändern markiert, wieviele Runden die Athleten hinter sich haben.


Nach 52:15 waren die ersten 7 km geschafft. So noch zwei Runden weiter machen, dann wird das was, Norbert. Aber nach 500 Metern der zweiten Runde war klar. So ging es nicht weiter. Hey, ich habe ein blaues Haarband. Es war ein toller Tag. Geh einfach weiter, wenn es nicht klappt, kannst du dir keinen Vorwurf machen.


Erst 3 km später und einer kleinen Klopause war ich wieder in der Lage zu laufen. Außer den Passagen bergauf. Und die hat man auf dieser Strecke häufig genug. 120 Höhenmeter? Gefühlt auf jeder Runde! Das Gute an solchen Runden: Man kommt häufig an Publikum vorbei und viele merken sich das Gesicht (und die auffällige Kleidung) und feuern ein an. Als ich in Runde 2 eigentlich mit dem Wettkampf abgeschlossen hatte und nur noch zur Supportercrew wollte, kamen zwei Trommlern, feuerten mich an und liefen trommelnd ein kleines Stück mit mir.


Für 7 km 1:01:10 zu brauchen ist nicht gerade schnell, aber egal. Gelbes Haarband und noch eine Runde. Nun begann das rechnen. Laufen, gehen, laufen, gehen. Bloss keine Zeit verschenken. Ich rechnete, dass ich ca. 8:30 pro KM brauchen dürfte um pünktlich ins Ziel zu kommen.


Kleiner Hacken: Ich musste zu Beginn meines Wettkampfs meine Uhr kurz stoppen, so dass ich nicht wusste, wieviel Zeit zwischen offizieller Wettkampfzeit und meiner Uhr lag. Ich schätzte so ca. 15 Sekunden (letztendlich waren es 5) aber sicher war ich mir nicht.


Rechnen. Ersten km in 7:40. Super. Minute gewonnen. Dann aber auch wieder 10 Minuten Kilometer. An der Supportcrew vorbei. „Du hast noch 35 Minuten“. Ja und ich hatte auch noch 4,5 Kilometer. Laufen, gehen, rechnen. Jetzt wurde es einsam auf der Strecke. Ein schnellerer Läufer überholt mich. Bekommt Krämpfe. Muss gehen. Läuft wieder an. Krämpfe. Ich denke „Warum gehst du nicht einfach ins Ziel?“. Ich laufgehe weiter. Körper ist leer. Pinkeln muss ich auch. Jetzt nicht! Keine Sekunde verschenken. Lauf bis da vorne bis zum Baum, dann bis da zur Abbiegung. Nun weiter bis zum Getränkestand. Mist geht nicht mehr. Mal gehen. Komm, wieder laufen. Aber hey, wenn du es jetzt nicht schaffst, dann lieferst du dem Scheiß wenigstens eine gute Show. Letzter Getränkestand. Von hier noch gut 500 Meter ins Ziel. Du hast noch 3 Minuten. Lauf! Die 5000. Luft bekommen und ins Ziel gestolpert Uhr zeigt 7:59:00. Fahne? Nein, ich will nur noch ins Ziel laufen. Zielkanal gar nicht wahr genommen.


Ziel. 7:59:29. Ich bin da. Im Limit. Freundeschrei. Leute gucken mich an. Ich habe gerade eben meine erste Halbdistanz gefinished. Im Limit. Auf dieser Strecke. Ja, das können Leute auch doppelt so schnell. Egal. Ich bin da. Im Limit. Ich habe es geschafft. Und da ich als Wunschzeit 7:59:59 auf die Tafel geschrieben habe auch mit einer Punktlandung. Im Limit. Ich bin Halbdistanz Finisher. Im Limit.


Erneut muss man alle Zuschauer und alle außer einem Teilnehmer loben. Auf der teilweise engen Laufstrecke wurde fair gelaufen, kein Gemeckere wenn man da sich langsam schleppte und das obwohl irgendwann auch die Starter über die olympische Distanz mit auf der Strecke waren. Ausnahme: Ein Trottel, der mir an einer sehr breiten Stelle den in die Hüfte gestützten Arm wegschlug. Das geht mal gar nicht klar. Und hätte ich noch irgendwo Kraft gehabt, dann hätte ich den auch beschimpft. Und das war ein olympischer Distanz Starter.


In den Pool Gruppenkuscheln mit anderen braun-weißen Teilnehmern. Erholung. Tolle Zielverpflegung. Was ich sehr cool fand: Alles regionale Produkte. Regionales Bier, regionale Softdrinks. Auf der Laufstrecke selbst Cola-Mix (Spezi würde man sagen) eines regionalen Anbieters. Nun vielleicht nicht ganz optimal für empfindliche Sportlermagen, aber ich finde das prinzipiell ganz toll. Das bitte nach Labelwechsel beibehalten. Und wirklich jedes Getränk was das Herz begehrt in der Auslaufzone.


Sowieso eine Toporganisation mit Tophelfern. Alle freundlich, informiert, hilfsbereit und auch nach 8 Stunden noch motiviert. Da können sich viele Marathone, wo die Stände nach 4:30 entweder leer sind oder schon am abbauen sind sehr viel lernen.


Und deswegen mal ganz deutlich: 200 Euro für einen Startplatz erscheinen viel, aber wenn ich die Strecke, diesen Helferaufwand und diese Herzlichkeit dafür kaufe, dann ist das kein Euro zu wenig. Der Vergleich zu einem Berlinmarathon zu 100 Euro, wo die Organisation Millionen mal schlechter ist, zeigt, dass hier der Preis in Ordnung ist.


Die haben auch genug Medaillen und Finishershirts und alles vorrätig. Im Gegensatz zu Berlin.


Auf dem Weg zum Radcheckout noch Herrn Kienle zu seinem Sieg gratuliert, der beinah schüchtern sich bedankt. Auch das ist Triathlon. Da läuft einem nach dem Rennen der Sieger und amtierende Weltmeister auf dieser Strecke über den Weg und guckt schüchtern, wenn man ihm gratuliert.


Der ganze weitere Ablauf war schnell und gut organisiert. Rad gefunden, Rad geküsst, Rad wieder in den Besitz genommen. Wenn man dann aber hört, dass wirklich irgendwelche Ärsche Radcomputer in der Wechselzone geklaut haben, dann kann man nur hoffen, dass denen der Arsch abfaulet. Das geht aber nun so gar nicht klar.


Der Rest des Tages bestand nur noch aus Kalorien aufnehmen und vor sich hin faulen.


Danke an die beste Triathlonabteilung, egal ob diesmal Teilnehmer oder Supportcrew. Ihr seid toll <3. Danke an das Kraichgau für einen unvergesslichen Tag.


Es war ein tolles Rennen.


Mal sehen, ob ich dieses Jahr überhaupt noch irgendwas großes (Marathon etc.) mache. Hella Halb und Hamburg Triathlon Olympisch nehm ich noch mit, aber ob dann noch was kommt? Lassen wir uns überraschen.


Nächstes Jahr geht es allemal wieder auf die Halbdistanz. Und dann vielleicht mal irgendwas flaches windiges? Challenge Amsterdam Almere zum Beispiel? Würde schon reizen. Und irgendwann der IM 70.3 Lake Tahoe. Aber bis dahin muss ich noch besser Berge klettern können.

Der @lauftagebuch hatte eine richtig derbe Radpanne. Kopf hoch und das nächste mal. 

Thorsten dankt all den unermütlichen Kindern. Und deswegen habe ich das nicht ausführlich geschrieben, aber die Schwammreicher auf der Laufstrecke waren der HAMMER! (Sowieso hat Thorsten mal wieder meinen größten Respekt #ausgründen)

wird ergänzt.

1 Kommentar:

  1. Hi Norbert,
    es war toll Dich bei der Pasta Party getroffen zu haben. Meinen herzlichen Glückwunsch zu dieser tollen Punktlandung und dem harten Kampf mit dem Finish.
    Eine respektable Leistung!

    Viele Grüße

    Matthias

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