Sonntag, 18. Oktober 2015

Zum Ende umrunden wir den See / Müggelsee Halbmarathon

Der Lauf

Viele Menschen haben ein unfassbares sportliches Potential, was sie aus unterschiedlichen Gründen nicht abrufen können. Sei es, weil sie einfach in andere Sachen eingebunden sind, sei es, dass sie irgendwelche WehWehchen haben oder sei es, dass ihnen auch so ein bisschen das Vertrauen in die eigene Stärke fehlt.


Dann gibt es andere Menschen, deren sportliches Potential ist begrenzt, aber sie haben irgendwie ihren Weg in Volksläufe und Marathon und Triathlon gefunden. In diese Kategorie würde ich mich jetzt mal einordnen wollen.


In die andere Kategorie passt die Debütantin des heutigen Tages. J. hat ein ordentliches Potential, läuft 23 KM in einer lockeren 6:19er Pace, hatte aber bisher Respekt (Angst ist hier das falsche Wort) mal einen Wettkampf anzugehen.


Da wir uns schon seit langem immer mal wieder über Laufen und Sport austauschen, wurde irgendwann im Sommer die Idee gebohren mal einen Lauf gemeinsam anzugehen. Und nachdem der Terminierungsgenerator es gut mit uns meinte, wurde es der Müggelsee-Halbmarathon in Berlin.


Sehr schnell war mir klar, dass J. mir weglaufen könnte. Ich versprach ihr eine 2:06, was für sie locker, für mich aber Vollgas ist. Und so richtig sicher war sie ihrer Stärke nicht. So konnte ich sie ein bisschen motivieren, auch die letzten Einheiten durchzuziehen und in perfekter Form am Start zu stehen. Und den ersten Lauf eher ein bisschen ruhig anzugehen, ist garantiert nicht falsch. Nix ist frustrierender, als wenn man beim ersten Lauf hinten raus eingeht.


Ich hatte drei Wochen um mich auf Topform im Halbmarathon zu bringen. Die ersten drei Wochen in meiner doch schon längeren Sportkarriere, die ich gezielt auf einen Halbmarathon trainiert habe. Das ganze Training war auf eine 2:06 ausgerichtet und die Einheiten liefen auch sehr gut.


Garantiert habe ich J., dass ich sie bis km 15 in einer 6:00 Pace bringe und dann könne sie in den Endspurt gehen. Dazu noch ein kleiner Hol- und Bringservice und fertig war das Halbmarathonpaket.


Der Müggelsee Halbmarathon ist etwas, was es in Berlin nach meiner (Fern-)Beobachtung wenig gibt. Ein kleiner Volkslauf in familiärer Atmosphäre. Insgesamt 2000 Starter über drei Distanzen und eine sehr feine Organisation. Danke dafür. Vier Wasserstellen auf einer Halbmarathondistanz mit Zuckertee und Wasser sind auch schon die obere Grenze des Üblichen. Dazu noch alle Helfer mit einem freundlichen Lächeln, so soll Volkslauf sein.


Die Pre-Race Rituale ändern sich auch mit einem Debütanten an der Hand nicht: Nummer holen, Kloschlange verlängern, Klamotten abgeben und ein bisschen Pseudowarmlaufen.


Gestartet wurde dann in drei Gruppen. Zwei kleine schnelle vorweg und dann der Rest des Feldes. Das war auch bei der geringen Teilnehmerzahl sehr gut, denn bereits nach 200 Meter ging es auf einen doch sehr engen Feldweg.


Wir hatten uns in die 3. Gruppe eingeordnet und das war auch okay, auch wenn wir den ersten KM nur in 6:19 absolvieren konnten. Spoiler: Es blieb unser langsamster.


Danach war bei uns beiden kontrollierte Offensive angesagt. Schon bei KM 6 meinte J., dass sie Pläne liebe, die funktionieren. Und so war es auch. Die KM immer irgendwo zwischen 5:49 und 6:05, je nachdem, ob mal eine Wasserstelle besucht wurde, oder man eine gute Pflasterstrecke vor sich hatte.


Die Strecke ist eine echte Seeumrundung. Die Gegenseite ist dabei die Mainzer Landstraße des Müggelsee-Laufes. Gut 5 Kilometer geht es flach schnurstracks geradeaus. Da wir aber erstaunlich viel redeten und immer mal wieder Leute überholten, verging auch diese Strecke wie im Fluge.


Überhaupt hatten wir beide reichlich Luft zum Reden, was auch hieß, dass für uns beide das Tempo ganz okay war.


Bis KM 11 hatte ich eigentlich keine Probleme, aber dann hatte ich doch einen kleinen Hänger und musste mein Laufen von "locker" auf "geht an die Reserve" umstellen. Mein Ziel J. wenigstens bis zum 15. KM zu bringen. Seien wir ehrlich: Hätte sie gewollt, sie hätte hier abzischen können. Aber irgendwie aus einer Mischung von Vorsicht und einem trotzigen "wer begleitet hier wen?" blieb sie bei mir.


Und wir immer noch knapp unter 6 Minuten. Bei zwei Getränkeständen eine kurze eingeschummelte Gehpause und ab KM 15 lief es bei mir auch wieder besser. Da merkt man dann doch, dass Training mit Endbeschleunigung was bringt. Und die kleinen Kopfhänger waren durch das gemeinsame Laufen auch sehr schnell überwunden.


Bei KM 18 schickte ich J. dann aber doch weg. Die kleinen Anstiege kam sie einfach einen Schritt schneller hoch, als es für mich gut war und ich wollte einfach nicht einen kompletten Einbruch riskieren. Denn eine Hochrechnung zeigte: Hier war Bestzeit drin.


Bestzeit? Gelaufen beim Kiel Marathon 2012 (!) eine 2:05:26. Dazu muss man wissen, dass der Kiel Marathon damals aus vier Runden bestand, die alle ein kleines Stück zu kurz waren, so dass der damalige Halbmarathon vielleicht 20,7 KM hatte.


J. sah ich noch so 50 Meter vor mir, als es in KM 20 ging. Sie zündete dann den Turbo und auch ich versuchte einen Endspurt. Aber da waren dann die Dinge mit dem Potential. Den letzten KM lief sie beinah eine Minute schneller als ich. Respekt junge Dame, da steckt noch sehr viel in dir.


Endspurt, 2:05:20 war am Ende meine Zeit. Und damit auch neue Bestzeit. Wer hätte das gedacht? Und wenn man 2:06 verspricht, dann ist eine 2:05:20 doch im Rahmen dessen, was man verspricht.


J. haute bei ihrem Debüt eine 2:04:26 raus und die Einschätzung, dass sie auch unter 2 Stunden kommt, ist nun auch fest in ihrem Hirn verankert. Ich freue mich schon auf den nächsten gemeinsamen Lauf. Auch wenn du dann das Bier ganz in Ruhe kalt stellen kannst, bis ich im Ziel bin.


Ansonsten: Danke Berlin. Nein, die Stadt ist doof ;-) , aber das Wochenende hielt ganz viele wunderbare Menschen bereit, die mit Rat und Tat unterstützten. Danke dafür, ihr wisst, wer ihr seid.


Das Fazit


Und damit endet meine Saison 2015. Sie endet mit einem schmerzhaftem Fuss, der heute Morgen so gar nicht will. Ich denke, dass es nix schlimmes ist und hoffe, dass es morgen weg ist, sonst sieht mich dann wohl doch mal ein Arzt.


Ende der Saison heißt auch Fazit ziehen. Und dies soll hier passieren.


Das Frühjahr war zum größten Teil Murks und außer einem ganz ordentlichen 10er in Dresden und einem ordentlichen Halbmarathon auf der Insel, war es von Erkältung, Krankheit und nicht weiter kommen geprägt.


Da nagt dann auch schon mal der Frust an einem und man sitzt in einer Sackgasse. Es geht körperlich nix, die Ziele scheinen vollkommen außer Sicht und es geht irgendwie nicht. So beschloss ich im Mai die Saison mehr oder minder zu beenden.


Was dann passierte, war unglaublich. Wäre nun bei heftig.co zu lesen. Nein, es ist wohl eine Binsenweisheit, dass dieses "befreit aufspielen" nicht nur eine leere Floskel ist. Von Zielen befreit ging es plötzlich besser. Der Hella Halb wurde ein langsamer Spaßlauf, aber wichtig für den Kopf.  Das Training machte wieder Spaß und es waren leichte Fortschritte zu erkennen.


Trotzdem wollte ich mich nicht unter Druck setzen, schon gar nicht öffentlich, so dass ich einfach mir einen kleinen Plan strickte, der theoretisch nach Almere führen würde, aber ich verkündete dies nicht mehr.


Eine Sprintdistanz in Hamburg zeigte, dass man auch mit einer Radpanne gut ins Ziel kommen kann und gab mir gerade beim Schwimmen neue Zuversicht.


Zu Beginn des Augustes begab ich mich dann auf die olympische Distanz und hatte mir im Kopf vorgenommen dann in Almere zu starten, wenn ich unter 40 Minuten beim Schwimmen bleibe. Auch wieder niemandem gesagt, aber nachdem ich mit einer 39:08 aus der Förde sprang, war mir klar: Ich starte in Almere. Der Rest des Wettkampfes lief dann auch ordentlich.


Nun wurde der Trainingsplan noch mal ein bisschen überarbeitet und nach einem anspruchsvollen Block, begann die Zeit der Bestzeiten.


In Hamburg wurde meine 10 KM Bestzeit pulverisiert und kurz darauf war auch eine Halbdistanz unter 7 Stunden geschafft (auch Bestzeit). Und nun als Icing on the cake noch eine neue Halbmarathon Bestzeit.


Was nehme ich aus dieser Saison mit? Ich kann mir selber ambitionierte Trainingspläne schreiben und kann diese auch mit Spaß abarbeiten. Ich habe gewisse Grenzen, aber wo genau die liegen, weiß ich noch nicht zu 100 %. Das gilt es auszutesten. Ich darf mich von einem schlechten Frühjahr nicht fertig machen und es gibt halt auch mal schlechte Zeiten.


Wie jetzt. Denn nun ist erstmal Pause, lockeres Spaßtraining und ab November wird sich dann auf 2016 vorbereitet.


Und als Erstes soll da endlich die 5 Stunden Schallmauer im Marathon durchbrochen werden. Die Tempodifferenz zwischen Halbmarathon und Marathon muss sich doch verringern lassen. Ihr werdet es lesen.















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