Montag, 6. Juli 2015

Bundesjugendspiele und wie es mit mir weiter geht

(Gerade als ich an diesen Zeilen schrieb, hat auch die Frau Balkongegenüber darüber gebloggt. Mein Artikel beinhaltet sehr viele ähnliche Gedanken.)


Wir leben in einer Welt, die von Leistung und dem damit verbundenen Leistungsdruck geprägt ist. Der Mensch hat sich in seiner Evolution ein System gegeben, welches auf einer sogenannten Bestenauslese und einer Bewertung des Menschen als nützlich oder unnütz basiert.

Ja, das klingt brutal hart. Aber nichts anderes ist der Kapitalismus, der u.a. auch davon lebt, dass man sich Menschen auswählen (!) kann, die für einen etwas tun. Das ist - in der reinen Theorie - eine Bestenauslese und da bleiben Menschen auf der Strecke.


Nun ist es eine sehr lange Diskussion, ob und wie man Kinder auf diesen Leistungsdruck vorbereitet. Er wird sie treffen, denn auch in 18 minus X Jahren werden unsere Kinder in einem kapitalistischen, von individueller Leistung und Leistungsfähigkeit (!) geprägtem System leben.


Nein, ich glaube nicht daran, dass Menschen vor der Erfindung des Warpantriebes und einem Treffen mit den Vulkaniern dies aufgeben werden. Neid, Missgunst, Macht und prahlen mit dem selbst Erreichten, ist eine viel zu starke Triebfeder des Menschen. Ja, das ist jetzt bewusst negativ formuliert.


Ich bin kein Pädagoge, aber in klugen Büchern steht immer, dass man Kinder spielerisch auf das Verlieren und Gewinnen im Leben vorbereiten soll. Dazu gehört insbesondere auch der sportliche Wettkampf. Wenn man diesen dann auch noch im Team bestreitet, dann kann man da spielerisch noch Werte wie Teamgeist etc. lernen. So die Theorie. In der Praxis muss man da wohl Abstriche machen.


Man entschuldige mir den Begriff Werte, der bekommt ja auch gerade so einen negativen Klang, aber es gibt Werte, die sind es wert so genannt zu werden. Teamgeist, Menschlichkeit, Fairness sind solche. Auch wenn Teamgeist immer ein "ihr" vs "wir" beinhaltet. Nichts hat eben nur eine Seite.


Ich war ein unsportliches und übergewichtiges Kind. Das hat was mit meinen Voraussetzungen zu tun, die ich in diesem Blog bereits mal erwähnt  hatte. Kurz ich hatte keine Leistungsfähigkeit. Das einzige was ich konnte war im Tor stehen. Ich war dick genug dieses auszufüllen und halbwegs passable Reflexe hab ich auch.


In meiner Traumwelt hat der Schulsport neben der spielerischen Vermittlung des Gewinnen und Verlieren auch die Aufgabe Spaß an Sport und Wettkampf zu wecken. So ganz aus der Luft gegriffen scheint mein Ideal ja nicht zu sein, wenn die man auf schulsport-hamburg.de in der Broschüre "Schulsport in Hamburg" folgenden Satz findet:

"Kinder und Jugendliche sollen dazu motiviert werden, regelmäßig Sport zu treiben." (Seite 14aaO)


Ich habe aktuell keine schulpflichtigen Kinder, aber aus meiner eigenen Lebenserfahrung kann ich nur sagen, dass die Schule dieses Ziel meilenweit verfehlt. Und dies scheint noch heutzutage der Fall zu sein, wenn ich diesen Tweet lese:


Von Anne Roth



Das ist eine Erfahrung, die auch ich gemacht habe und die ich unzähligen Gesprächen auch erfahren habe. "Wir laufen nun 3000 Meter". Ohne vorheriges Training, ohne vorheriges Hinführen für jeden Schüler, der nicht zufällig sowieso sportlich ist eine Qual und eine Strafe.

Noch nie habe ich gehört, dass auf dieses Ziel z.B. mal über 8 bis 9 Wochen hingearbeitet wird. Mit langsamen Läufen am Anfang, gezieltem Training am Ende. Schon gar nicht mit einer individuellen Vorgabe. All das, was Hobbyläufer jeder Leistungsklasse von ganz alleine planen, findet im Schulalltag trotz einer theoretischen Ausbildung der Lehrer offensichtlich nicht statt. Bei mir nie. Bei vielen anderen nicht. Schnackt mal drüber mit Leuten.

Und so sind auch Bundesjugendspiele ein Dreck. Die Kinder werden unvorbereitet da hin geschickt und so werden ihnen nur brutal ihre eigenen Unfähigkeiten aufgezeigt. Das ist nun brutal kapitalistisch "du bist nix wert, also geh nach Hause und nerv nicht", aber ich möchte den sehen, der dies als logischen Umgang mit Kindern vertritt.


Die sogenannten Helikoptereltern (btw das ist wie alles ein vollkommen pauschalisierendes Klischee) garantiert nicht. Nun ist die Abschaffung der Bundesjugendspiele garantiert auch keine wirklich tolle Idee, denn da kommen wir wieder zu oben. Ich kann mein Kind nicht vor jeder Niederlage schützen und dann mit 18 sagen "Willkommen auf dem ArbeitsMARKT" (meinetwegen auch mit 22, 27 oder wann auch immer). Der Schock wird dann viel größer sein.


Aber wie wäre es mit einer Alternative? Hinarbeiten auf individuelle Ziele, mit individuellem Trainingsplan und dann Abfrage zum Ende des Schuljahres. Die Kinder hätten Erfolge (und Misserfolge), würden sehen, dass Training Spaß macht und weiter führt und würden viel häufiger Spaß an Sport finden.


Oh das kostet Geld? Ja, das tut es und es ist einer unserer größten Fehler, den Bundesländern auf der einen Seite alle finanziellen Mittel abzugraben und sie auf der anderen Seite für das wichtigste verantwortlich zu machen, was wir haben. Unsere Kinder und Jugendlichen.

Dieser Artikel kommt nebenbei (außer in meiner Selbstbeschreibung) ohne die Floskeln "adipös" "Kinder sitzen vor dem Fernseher und bewegen sich zu wenig" etc. aus. Das sind Scheißhausparolen, von Leuten, die auch meinen "Ehe" im Sinne von Mann + Frau sei einer der oben genannten Werte. Mal ganz davon ab, dass sie pauschalisieren, diskriminieren und auch sonst Dreck sind.

Ich habe - bis mein Knie nicht mehr mochte - immer Basketball in einem Verein gespielt. Es hat mir immer Spaß gemacht, obwohl ich nicht gut war. Ich hatte da viele Freunde. Aber der Schulsport war immer eine Katastrophe. Er hat mir das Laufen so konsequent ausgetrieben, dass ich erst mit 38 daran wieder Spaß gefunden habe.


Ich musste an unzähligen Bundesjugendspielen teilnehmen, habe genau einmal eine Urkunde bekommen und bin nie wirklich vorbereitet worden. Vielleicht zweimal 30 Minuten Kugelstoßen und einmal die Wettkampfweite gelaufen, aber dass so Training nicht funktioniert, dass wissen wir langsam alle.


Ach ja das süsse Gift des Wettkampfes. Ich bin da ja nicht gerade konsequent. Das ist ja auch vielleicht ganz gut so. Ich hatte in einem meiner letzten Beiträge geschrieben, dass ich 2015 keine Wettkämpfe mehr bestreite. Das wird für echte A Wettkämpfe wahrscheinlich auch weiterhin gelten. Aber zwischenzeitlich habe ich den Spaß am Wettkampf wieder gefunden und noch viel wichtiger: Den Spaß am Training. Ich laufe, schwimme, radel endlich wieder mit einem entspannten Gesicht und freue mich auf jede Sekunde, die ich so verbringen kann.


Und daher werde ich dieses Jahr noch die Sprintdistanz absolvieren. Endlich mal wieder sein Rad irgendwo einhängen und nach dem Schwimmen abnehmen und dem Feld hinter her jagen. Ich freue mich drauf.



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